WHO publiziert Guidelines für die Implementierung von PBM

19.03.2025

Nachdem die WHO bereits 2021 in einem Policy Brief für eine rasche Umsetzung von Patient Blood Management plädiert hatte, liefert sie nun konkrete Guidelines zur Implementierung nach. Die Verbesserung des «Blood Health Status» bezeichnet die WHO als globale Priorität.

Nationale Umsetzung entlang des «8-model»
Um die globale Umsetzung von PBM zu erleichtern, wird im Leitliniendokument das sogenannte «8-model» verwendet. Dieses beschreibt einen strukturierten Weg für die komplexe und umfassende Systemimplementierung in grossen Sektoren wie bspw. dem Gesundheitswesen (s. Guidelines, S. 7).

Die Zahl 8 symbolisiert in diesem Fall einen Kreislauf. Im oberen Teil dieses Kreislaufs, der durch die Regierung verantwortet wird, stehen die drei Ps im Mittelpunkt:

    • Promotion (Gesundheitsförderung)
    • Protection (Gesundheitsschutz)
    • Prevention (Prävention von Krankheiten und unerwünschten Folgen)

Im unteren Teil, wo die Gesundheitsorganisationen in der Pflicht stehen, geht es um die drei Es:

    • Evidence (klinische Evidenz)
    • Economic benefits (wirtschaftlicher Nutzen)
    • Ethical obligation (ethische Verpflichtung)

Das Modell führt die Interessengruppen durch eine logische Abfolge von Massnahmen zur Umsetzung von PBM als nationalem Versorgungsstandard. Der Prozess durchläuft dabei drei Phasen:

  1. Vorbereitung des Gesundheitssystems und der Rechtsgrundlagen durch die Behörden
  2. Durchführung von Pilotprojekten durch Gesundheitsorganisationen
  3. Nationaler Roll-out und gesetzliche Verankerung

Darüber hinaus bietet das Leitliniendokument PBM-Toolkits, die auf verschiedene Bevölkerungsgruppen und Ressourcenebenen zugeschnitten sind und die Anpassung und Umsetzung von PBM-Initiativen ermöglichen. Diese Kits bieten praktische Strategien und Ressourcen für den Umgang mit Eisenmangel, Anämie, Blutverlust und Gerinnungsstörungen und gewährleisten eine umfassende Versorgung in verschiedenen Gesundheitseinrichtungen.

Die Situation in der Schweiz
Professor Donat R. Spahn ist ehemaliger Direktor des Instituts für Anästhesiologie des Universitätsspitals Zürich und präsidiert die Alliance Rouge, eine Schweizer Interessengemeinschaft für PBM mit Mitgliedern aus unterschiedlichen Bereichen des Gesundheitswesens. Gemäss Spahn fasst das Konzept auch in der Schweiz langsam Fuss:

«Viele Gesundheitsfachpersonen wissen aufgrund der zahlreichen Studien zum Thema, wie stark die Patientinnen und Patienten von Patient Blood Management profitieren. Vielerorts fehlt es aber noch an einer systematischen Prozess- und Outcome-Kontrolle.» Prof. Dr. Donat R. Spahn, Präsident der Alliance Rouge

Gemäss Spahn können aufgrund dieser Mängel wichtige Teilaspekte des Konzepts nicht korrekt oder gar nicht umgesetzt werden. Dies ist umso störender, als dass nicht nur Qualitäts-, sondern auch Kostenaspekte für die flächendeckende Einführung von PBM sprechen. Das Universitätsspital Zürich beispielsweise spart allein durch den um 40 Prozent reduzierten Bedarf an Blutprodukten mehrere Millionen Franken pro Jahr. Rechnet man hierzu noch die indirekten Einsparungen aufgrund der geringeren Komplikationsrate und der kürzeren Spitalaufenthaltsdauer, ist das Potenzial in allen Schweizer Spitälern, die grössere Operationen durchführen, enorm. Vor diesem Hintergrund haben verschiedene Schweizer Spitäler bereits einzelne Elemente von PBM eingeführt oder, wie beispielsweise das Spital Wallis, umfassende PBM-Programme lanciert.

Qualitätsvertrag und Peer-Beratung sollen Verbreitung fördern
Um dieses Potenzial nutzbar zu machen, wurden in den vergangenen Jahren verschiedene Hebel in Bewegung gesetzt. Unter anderem wurde PBM auf eine Liste mit Qualitätsverbesserungsmassnahmen aufgenommen, die im Rahmen des im Juni 2024 vom Bundesrat bewilligten Qualitätsvertrags zwischen dem Spitalverband H+, Santésuisse und Curafutura erstellt wurde. Darüber hinaus hat die Alliance Rouge damit begonnen, die Ärzteschaft und die Spitäler bei der Implementierung und der nachhaltigen Anwendung von PBM zu unterstützen, unter anderem im Rahmen eines durch die Eidgenössische Qualitätskommission unterstützten Pilotprojekts.

Um die dank PBM erzielten Erfolge künftig systematisch messen zu können, will der Verein Alliance Rouge die Vernetzung zwischen den verschiedenen Akteuren des Gesundheitswesens künftig noch stärker fördern. Sein Netzwerk an Expertinnen und Experten steht interessierten Spitälern zur Verfügung, um sie bei der Einführung von PBM zu unterstützen. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei dem teilweise immer noch vernachlässigten Bereich Datenmanagement, in dem sich dank neuer Ansätze grosse Effizienzgewinne erzielen lassen.

Gemäss Einschätzung des Expertennetzwerks der Alliance Rouge sind die neuen Leitlinien der WHO deshalb ein willkommener Weckruf für all jene Akteure des Gesundheitswesens, die sich bislang noch zu wenig mit Patient Blood Management auseinandergesetzt haben.

Link zu den Guidelines: https://iris.who.int/handle/10665/380784


Abb. oben: Eigene Darstellung mit den wichtigsten Eckwerten zur präoperativen Anämiebehandlung.

 

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