WHO publiziert Guidelines für die Implementierung von PBM

Nachdem die WHO bereits 2021 in einem Policy Brief für eine rasche Umsetzung von Patient Blood Management plädiert hatte, liefert sie nun konkrete Guidelines zur Implementierung nach. Die Verbesserung des «Blood Health Status» bezeichnet die WHO als globale Priorität.

Nationale Umsetzung entlang des «8-model»
Um die globale Umsetzung von PBM zu erleichtern, wird im Leitliniendokument das sogenannte «8-model» verwendet. Dieses beschreibt einen strukturierten Weg für die komplexe und umfassende Systemimplementierung in grossen Sektoren wie bspw. dem Gesundheitswesen (s. Guidelines, S. 7).

Die Zahl 8 symbolisiert in diesem Fall einen Kreislauf. Im oberen Teil dieses Kreislaufs, der durch die Regierung verantwortet wird, stehen die drei Ps im Mittelpunkt:

    • Promotion (Gesundheitsförderung)
    • Protection (Gesundheitsschutz)
    • Prevention (Prävention von Krankheiten und unerwünschten Folgen)

Im unteren Teil, wo die Gesundheitsorganisationen in der Pflicht stehen, geht es um die drei Es:

    • Evidence (klinische Evidenz)
    • Economic benefits (wirtschaftlicher Nutzen)
    • Ethical obligation (ethische Verpflichtung)

Das Modell führt die Interessengruppen durch eine logische Abfolge von Massnahmen zur Umsetzung von PBM als nationalem Versorgungsstandard. Der Prozess durchläuft dabei drei Phasen:

  1. Vorbereitung des Gesundheitssystems und der Rechtsgrundlagen durch die Behörden
  2. Durchführung von Pilotprojekten durch Gesundheitsorganisationen
  3. Nationaler Roll-out und gesetzliche Verankerung

Darüber hinaus bietet das Leitliniendokument PBM-Toolkits, die auf verschiedene Bevölkerungsgruppen und Ressourcenebenen zugeschnitten sind und die Anpassung und Umsetzung von PBM-Initiativen ermöglichen. Diese Kits bieten praktische Strategien und Ressourcen für den Umgang mit Eisenmangel, Anämie, Blutverlust und Gerinnungsstörungen und gewährleisten eine umfassende Versorgung in verschiedenen Gesundheitseinrichtungen.

Die Situation in der Schweiz
Professor Donat R. Spahn ist ehemaliger Direktor des Instituts für Anästhesiologie des Universitätsspitals Zürich und präsidiert die Alliance Rouge, eine Schweizer Interessengemeinschaft für PBM mit Mitgliedern aus unterschiedlichen Bereichen des Gesundheitswesens. Gemäss Spahn fasst das Konzept auch in der Schweiz langsam Fuss:

«Viele Gesundheitsfachpersonen wissen aufgrund der zahlreichen Studien zum Thema, wie stark die Patientinnen und Patienten von Patient Blood Management profitieren. Vielerorts fehlt es aber noch an einer systematischen Prozess- und Outcome-Kontrolle.» Prof. Dr. Donat R. Spahn, Präsident der Alliance Rouge

Gemäss Spahn können aufgrund dieser Mängel wichtige Teilaspekte des Konzepts nicht korrekt oder gar nicht umgesetzt werden. Dies ist umso störender, als dass nicht nur Qualitäts-, sondern auch Kostenaspekte für die flächendeckende Einführung von PBM sprechen. Das Universitätsspital Zürich beispielsweise spart allein durch den um 40 Prozent reduzierten Bedarf an Blutprodukten mehrere Millionen Franken pro Jahr. Rechnet man hierzu noch die indirekten Einsparungen aufgrund der geringeren Komplikationsrate und der kürzeren Spitalaufenthaltsdauer, ist das Potenzial in allen Schweizer Spitälern, die grössere Operationen durchführen, enorm. Vor diesem Hintergrund haben verschiedene Schweizer Spitäler bereits einzelne Elemente von PBM eingeführt oder, wie beispielsweise das Spital Wallis, umfassende PBM-Programme lanciert.

Qualitätsvertrag und Peer-Beratung sollen Verbreitung fördern
Um dieses Potenzial nutzbar zu machen, wurden in den vergangenen Jahren verschiedene Hebel in Bewegung gesetzt. Unter anderem wurde PBM auf eine Liste mit Qualitätsverbesserungsmassnahmen aufgenommen, die im Rahmen des im Juni 2024 vom Bundesrat bewilligten Qualitätsvertrags zwischen dem Spitalverband H+, Santésuisse und Curafutura erstellt wurde. Darüber hinaus hat die Alliance Rouge damit begonnen, die Ärzteschaft und die Spitäler bei der Implementierung und der nachhaltigen Anwendung von PBM zu unterstützen, unter anderem im Rahmen eines durch die Eidgenössische Qualitätskommission unterstützten Pilotprojekts.

Um die dank PBM erzielten Erfolge künftig systematisch messen zu können, will der Verein Alliance Rouge die Vernetzung zwischen den verschiedenen Akteuren des Gesundheitswesens künftig noch stärker fördern. Sein Netzwerk an Expertinnen und Experten steht interessierten Spitälern zur Verfügung, um sie bei der Einführung von PBM zu unterstützen. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei dem teilweise immer noch vernachlässigten Bereich Datenmanagement, in dem sich dank neuer Ansätze grosse Effizienzgewinne erzielen lassen.

Gemäss Einschätzung des Expertennetzwerks der Alliance Rouge sind die neuen Leitlinien der WHO deshalb ein willkommener Weckruf für all jene Akteure des Gesundheitswesens, die sich bislang noch zu wenig mit Patient Blood Management auseinandergesetzt haben.

Link zu den Guidelines: https://iris.who.int/handle/10665/380784


Abb. oben: Eigene Darstellung mit den wichtigsten Eckwerten zur präoperativen Anämiebehandlung.

 

Konkrete Unterstützung für Spitäler und Kliniken

Das Projekt mit der Eidgenössischen Qualitätskommission (EQK) zur Implementierung von Patient Blood Management in fünf Schweizer Spitälern ist erfolgreich abgeschlossen. Die gemachten Erfahrungen und das entwickelte Manual schaffen die Basis für eine landesweite Verankerung dieses wichtigen Konzepts zur Qualitätsverbesserung in der Gesundheitsversorgung.

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Bundesrat genehmigt Qualitätsvertrag – PBM ist mitberücksichtigt

Ende Mai hat der Bundesrat den Qualitätsvertrag zwischen H+, santésuisse und curafutura nach Art. 58a KVG genehmigt. In dessen Rahmen setzen die Spitäler und Kliniken anerkannte Qualitätsverbesserungsmassnahmen um, zu denen u.a. auch Patient Blood Management (PBM) zählt (vgl. Blogbeitrag vom 24. August 2023).

Gemäss einer entsprechenden Medienmitteilung der Vertragsparteien ist die Genehmigung des neuartigen Qualitätsvertrags ein wichtiger Schritt für die Qualitätsentwicklung und Patientensicherheit in Spitälern und Kliniken sowie ein Beleg für die gute Zusammenarbeit von Spitälern und Kliniken mit den Krankenversicherern.

Der Vertrag tritt per sofort in Kraft. Im Rahmen der zweijährigen Einführungsphase werden 2025 Pilot-Audits stattfinden. Zudem ist auch die Einführung der einzelnen Handlungsfelder und der entsprechenden Mindestanforderungen über drei Jahre gestaffelt.

Um die Spitäler und Kliniken bei der Umsetzung des QV58a zu unterstützen, finden in den nächsten Wochen und Monaten verschiedene Veranstaltungen zum Thema statt, zum Beispiel am 14. Juni 2024 in Bern (s. Veranstaltungs-Website) oder am 3. September 2024 in Olten. Weitere Angebote sollen demnächst auf auf H+ Bildung (Deutsch) bzw. auf Espace Compétences (Französisch und Italienisch) ausgeschrieben werden.

Ökonomisches PBM – Qualitätssteigernd und kostensenkend

Prof. Dr. rer. medic. Axel Hofmann hat eine Broschüre verfasst, die Patient Blood Management allen interessierten Leser:innen näherbringen soll.

Die aktuellen technologischen, sozialen und ökonomischen Trends stellen auch den Gesundheitssektor vor Herausforderungen. Die Gesundheitsausgaben steigen stetig an, nicht nur absolut, sondern auch relativ zur volkswirtschaftlichen Gesamtleistung.

Die Medizin muss neue Wege gehen, um die Gesundheit der Bevölkerung sicherzustellen, die Qualität der Behandlungen zu optimieren und zugleich Kosten zu sparen. Ein Hebel  mit grosser Wirkung bietet sich in den Bereichen Anämie, Blutverluste und Transfusionen. Denn dort liegt Potenzial brach.

Welche Konsequenzen die Trias von nicht behandelter Anämie, unnötigem Blutverlust und Transfusionen für Patient:innen hat, findet aktuell noch zu wenig Beachtung. Korrekt angewendet, bewirkt Patient Blood Management deutlich verbesserte Behandlungserfolge, es erhöht die Patientensicherheit und führt zu einer deutlichen Reduktion der Behandlungskosten.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat Ende 2021 ihre Mitgliedsstaaten aufgefordert, dieses Konzept umzusetzen, um Behandlungsergebnisse in grossem Umfang bei gleichzeitiger Kostenreduktion zu verbessern.

Die Broschüre ist ab sofort unter diesem Link abrufbar. Falls Sie Interesse an der Weiterverbreitung einzelner Inhalte oder Grafiken haben, kontaktieren Sie bitte unsere Geschäftsstelle.

PBM als Qualitätsverbesserungsmassnahme anerkannt

H+, santésuisse und Curafutura haben einen Antrag der Alliance Rouge gutgeheissen und Patient Blood Management in den Katalog der Qualitätsverbesserungsmassnahmen des neuen Qualitätsvertrags zwischen Leistungserbringern und Krankenversicherern aufgenommen.

Im Rahmen eines neuen Qualitätsvertrags zwischen H+, santésuisse und Curafutura ist vorgesehen, dass Spitäler künftig Qualitätsverbesserungsmassnahmen (QVM) in definierten Themenbereichen umsetzen. Der Antrag der Alliance Rouge, Patient Blood Management in den Katalog dieser QVM aufzunehmen, wurde von den Vertragspartnern angenommen.

Die Alliance Rouge freut sich sehr über diesen Entscheid. Er ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur flächendeckenden Anwendung von Patient Blood Management (PBM) in den Schweizer Spitälern und zur Etablierung von PBM als Qualitätskriterium im Schweizer Gesundheitswesen.

Denn richtig angewendet, kann PBM die Behandlungsqualität messbar steigern und gleichzeitig die Kosten senken. Das Konzept führt zu tieferen Komplikations- und Mortalitätsraten, kürzeren Spitalaufenthalten und einem geringeren Bedarf an Blutprodukten. Auch die WHO hält das Konzept für ethisch und ökonomisch relevant. Mehr dazu lesen Sie in unserem Factsheet.

Die vertraglich anerkannten QVM sind auf der Website von H+ publiziert. Die Publikation der QVM dient in erster Linie der Transparenz und Orientierung. Zu beachten ist, dass die Genehmigung des Qualitätsvertrags durch den Bundesrat noch aussteht. Es ist deshalb nicht auszuschliessen, dass sich aufgrund von Vertragsrevisionen und Forderungen des Bundesamtes für Gesundheit BAG noch gewisse Änderungen ergeben.

 

Interview mit Regierungsrat Urs Martin zur Relevanz von Patient Blood Management

Sparsamer Umgang mit der Ressource Blut und erhöhte Patientensicherheit: Im Interview mit der Alliance Rouge erklärt der Thurgauer Gesundheitsdirektor Urs Martin, warum Patient Blood Management heutzutage im Spital zu den Standardprozessen gehören sollte. Urs Martin war selbst über viele Jahre im Spitalbereich tätig, ist Mitglied der Eidgenössische Qualitätskommission (EQK) und als Vorsteher des Departements für Finanzen und Soziales des Kantons Thurgau zuständig für Gesundheitsthemen. Dementsprechend erfreut ist er über die Tatsache, dass Patient Blood Management in den Thurgauer Spitälern breit akzeptiert ist.

Schauen Sie das Video hier: https://youtu.be/zM8acEgJz64

E-Learning-Module auf Französisch verfügbar

In 5 Modulen lernen Sie mit dem E-Learning der Alliance Rouge praxisnah, verständlich und kompetent, worauf es bei der Einführung von Patient Blood Management ankommt.

Neu stehen alle Module auch auf Französisch zur Verfügung. Für die Registration wenden Sie sich bitte an info@alliance-rouge.ch.

Unser E-Learning eignet sich als Refresher sowie zum Erwerb spezifischer Kenntnisse: Neben einem Einführungs-Modul werden die verschiedenen Massnahmensäulen und Anwendungsbereiche des Konzepts vertieft. Jedes Modul kann mit einem kurzen Multiple-Choice-Test abgeschlossen werden. Die Module sind von der Schweizer Gesellschaft für Anästhesiologie und Perioperative Medizin (SSAPM) akkreditiert. Somit können für abgeschlossene Module SSAPM Fortbildungs-Credits beantragt werden.

Hier finden Sie weitere Infos zum Alliance Rouge E-Learning.

Fünf Spitalprojekte erhalten Unterstützung der EQK und der Alliance Rouge

Im Mai 2022 hat die Eidg. Qualitätskommission (EQK) einen Antrag der Alliance Rouge auf finanzielle Unterstützung eines Wissenstransfer-Projekts im Bereich Patient Blood Management gutgeheissen. Im Rahmen dieses Projekts werden fünf Spitäler in der Deutsch- und Westschweiz bis im Frühjahr 2024 Patient Blood Management implementieren und dabei von der Alliance Rouge unterstützt werden.

Das Projekt erlaubt es der Alliance Rouge, praktische Erfahrungen bei der Einführung von Patient Blood Management in unterschiedlichen Ausgangssituationen zu sammeln. Nach Projektabschluss werden diese Einblicke in einem Patient Blood Management Implementierungs-Manual verdichtet und interessierten Spitälern und Stakeholdern zugänglich gemacht.

Die Alliance Rouge freut sich auf die Umsetzungsphase sowie über die Bedeutung, welche die EQK dem Thema Patient Blood Management mit der Gewährung der Finanzhilfe beimisst. Das Projekt ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur flächendeckenden Anwendung des Konzepts in der Schweiz und der Etablierung eines Patiend Blood Management-Standards als Qualitätslabel im Schweizer Gesundheitswesen.

 

Die Eidgenössische Qualitätskommission (EQK) ist eine unabhängige ausserparlamentarische Expertenkommission. Sie unterstützt den Bundesrat bei der Qualitätsentwicklung in der medizinischen Leistungserbringung im Rahmen des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung. Die EQK kann zur Unterstützung von nationalen oder regionalen Projekten zur Qualitätsentwicklung Finanzhilfen gewähren.

Interview mit Staatsrätin Rebecca Ruiz zur Bedeutung von Patient Blood Management

Im Interview mit der Alliance Rouge liefert die Waadtländer Gesundheitsdirektorin Rebecca Ruiz Antworten auf die Frage, wieso innovative Konzepte wie Patient Blood Management im Schweizer Gesundheitssystem eine wichtige Rolle spielen. Dazu sagt sie: «Wenn man die verbesserte Patientensicherheit mit finanziellen Einsparungen verbinden kann, von denen das gesamte Spital profitiert, hat man in jeder Hinsicht eine Win-Win Situation.» Wir freuen uns, dass sich eine solch starke Stimme für das Anliegen der Alliance Rouge einsetzt!

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